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Rousseff droht rasche Amtsenthebung

Für Dilma Rousseff wird es eng
Für Dilma Rousseff wird es eng
Brasiliens Oberster Gerichtshof hat grünes Licht gegeben für eine womöglich vorentscheidende Abstimmung über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff. Die Mehrheit der Richter wies in der Nacht auf Freitag den Antrag zurück, dass Rousseff nicht ausreichend Gelegenheit für ihre Verteidigung bekommen habe. Per Eilantrag hatte die Regierung versucht, das Verfahren vorerst zu stoppen.


Das Abgeordnetenhaus kann damit bereits am Sonntag abstimmen: Stimmen zwei Drittel der Mitglieder für eine Fortsetzung des Verfahrens, und anschließend auch noch der Senat mit einfacher Mehrheit, wäre Rousseff zunächst für 180 Tage suspendiert. Die Abstimmung im Senat könnte Anfang Mai stattfinden.

Dann könnte sie zum Beispiel auch nicht am 5. August die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro eröffnen. In der Zeit der Suspendierung würden die Vorwürfe gegen sie intensiv juristisch geprüft, es geht unter anderem um angebliche Tricksereien beim Staatsbudget. In der Zwischenzeit würde sie Vizepräsident Michel Temer ersetzen. Beobachter rechnen aber damit, dass aufgrund der politischen Krise im Land eine schnelle Entscheidung des Obersten Gerichts fallen dürfte, möglicherweise schon bis Ende Mai. Im Oktober könnte der Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit Rousseff endgültig des Amtes entheben und Temer würde bis Ende 2018 Präsident bleiben.

Seine Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB) hat wie vier weitere Parteien mit Rousseff gebrochen, er ist aber weiterhin Vizepräsident. Die ursprüngliche Neun-Parteien-Koalition ist so stark geschrumpft, dass die notwendigen 342 von 513 Stimmen am Sonntag im Abgeordnetenhaus erreicht werden könnten. Nach Angaben des Portals “O Globo” sowie der Zeitung “Estado de S. Paulo” zeichnet sich eine entsprechende Zwei-Drittel-Mehrheit ab. Allerdings gibt es traditionell eine sehr geringe Fraktionsdisziplin, die Regierung versucht einzelne Abgeordnete der Opposition für sich zu gewinnen.

Für Sonntag werden in Brasilien neue Demonstrationen von Gegnern und Anhängern Rousseffs erwartet. Vor allem ein milliardenschwerer großer Korruptionsskandal hat die Krise verschärft. Bei mindestens 89 Auftragsvergaben des staatlich kontrollierten Ölkonzerns Petrobras an Bauunternehmen sollen Schmiergelder geflossen sein. Gegen Dutzende Politiker wird derzeit ermittelt – parteiübergreifend. Rousseff bestreitet die Vorwürfe.

Zudem brach 2015 die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent ein, das Pro-Kopf-Einkommen sank auf 28.876 Reais (7.320 Euro). Im Jänner waren 9,6 Millionen Menschen arbeitslos. Durch die zusätzliche politische Krise ist das Land nahezu regierungsunfähig, daher wird auch der Ruf nach Neuwahlen immer lauter.

Zuletzt verlor 1992 in Brasilien Präsident Fernando Collor de Mello auf diesem Wege sein Amt. Ihm wurde Korruption vorgeworfen. Heute ist er Senator.

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