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Karfreitags-Lösung: "Für 96 Prozent der Österreicher ändert sich nichts"

Die Regierungsspitze verteidigt die Karfreitagslösung.
Die Regierungsspitze verteidigt die Karfreitagslösung. ©APA/ROBERT JAEGER
Die am Dienstag präsentierte Lösung, den Karfreitag künftig als "persönlichen Feiertag" frei nehmen zu können, wird von der Regierungsspitze verteidigt. Man habe damit sowohl eine Diskriminierung als auch einen 14. Feiertag im Land verhindert. 
Karfreitag als "persönlicher Feiertag"
Karfreitag aus Generalkollektivvertrag gestrichen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben die neue Lösung für den Karfreitag am Mittwoch verteidigt. Im Pressefoyer nach dem Ministerrat betonten beide, dass keiner der 13 Feiertage in Österreich gestrichen wird und dafür wolle man auch das Bewusstsein schärfen. Für 96 Prozent der Österreicher ändert sich nichts, so Kurz.

Die einzige Veränderung gebe es für die Protestanten. Dies lasse sich begründen, denn es sei nicht fair, dass eine Gruppe mehr Feiertage habe als andere. Für Jom Kippur gebe es keinen gesetzlichen Feiertag, dieser sei im Kollektivvertrag geregelt, so Kurz auf diesen angesprochen. Hätte man die Zahl der Feiertage ausgeweitet, wäre es naheliegend gewesen, dass auch dann alle frei haben wollen, meinte der ÖVP-Obmann weiter.

Regierungsspitze verteidigt Karfreitags-Lösung

Jom Kippur sei auch kein Thema des EuGH-Urteils gewesen, über den Ausgang einer etwaigen Klage diesbezüglich wollte er nicht spekulieren. Angesprochen darauf, dass im Öffentlichen Dienst am Karfreitag frei sei, verwies Kurz auch auf unterschiedliche Regelungen in unterschiedlichen Sparten der Wirtschaft. Selbst im Öffentlichen Dienst seien die Regelungen sehr divers, nannte er etwa Lehrer und die Polizei als Beispiel.

Auch Strache erklärte, es werde keiner der 13 Feiertage gestrichen. Der FPÖ-Chef ätzte hier gegen die Arbeiterkammer, die einen Atheisten mit seiner Klage unterstützt habe, “weil man das den Protestanten kollektivvertraglich neidig war”. Aufgrund des EuGH-Urteils musste man die Regelung nun entsprechend bereinigen. Mit der “Aufwertung” eines Urlaubstages als einseitiges Recht für Arbeitnehmer können sich nun Protestanten etwa am Karfreitag freinehmen. Aber auch Atheisten oder Anhänger von Religionsgemeinschaften “querbeet” könnten sich einen persönlichen Feiertag oder Familientag nehmen, so Strache weiter. Die Debatte sei damit “positiv gelöst”, man habe sowohl eine Diskriminierung als auch einen 14. Feiertag im Land verhindert. “Kein Feiertag geht verlustig”, stellte der Vizekanzler fest.

Antrag der Koalition will Eingriff in Kollektivverträge

Die Koalition hat am Mittwoch ihren Antrag zur Streichung des Karfreitag als Feiertag eingebracht. Wie von der Regierung angekündigt, wird damit nicht nur das Arbeitsruhegesetz geändert. Auch die zwischen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer verhandelten Sonderregelungen zum Karfreitag in Kollektivverträgen sollen gestrichen werden. Ob dies rechtlich zulässig ist, ist umstritten.Wien. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 22. Jänner entschieden, dass die bisherige Bevorzugung von Protestanten und Altkatholiken beim Karfreitag unzulässig ist. Damit steht der zusätzliche Feiertag allen Arbeitnehmern zu. Um einen allgemeinen zusätzlichen Feiertag zu verhindern, wollen ÖVP und FPÖ die Karfreitagsregelung nun aus dem Arbeitsruhegesetz streichen. Die entsprechende Bestimmung (§7 Abs. 3) soll entfallen.

Wer am Karfreitag freihaben möchte, muss dafür also künftig einen seiner Urlaubstage verbrauchen. Dazu wird im Arbeitsruhegesetz eine Bestimmung eingefügt, die es allen Arbeitnehmern erlaubt, einen Urlaubstag im Jahr auch gegen den Willen des Arbeitgebers zu fixieren. Dieser “persönliche Feiertag” muss allerdings drei Monate im Voraus schriftlich bekannt gegeben werden (nur für heuer wird diese Frist auf zwei Wochen verkürzt). Einen zusätzlichen Urlaubstag gibt es dafür nicht. Sollte der Arbeitnehmer aber “auf Ersuchen des Arbeitgebers” trotzdem an diesem Tag arbeiten, steht ihm das Feiertagsentgelt (also das doppelte Gehalt) zu, ohne dass dafür der Urlaubstag verfällt.

Rechtlich umstritten ist, dass die Regierung mit ihrem Antrag auch in die zwischen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer verhandelten Kollektivverträge eingreift. Sowohl der Generalkollektivvertrag als auch einzelne Branchenverträge sehen nämlich weiterhin den freien Karfreitag für Protestanten (sowie für Juden den Versöhnungstag Jom Kippur) als Feiertag vor. Für Protestanten soll das nun per Gesetz gestrichen werden. Lediglich der jüdische Versöhnungstag bleibt in Geltung.

Wörtlich heißt es dazu im Abänderungsantrag (§33a Abs. 28 Arbeitsruhegesetz): “Bestimmungen in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die nur für Arbeitnehmer, die der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche oder der Evangelisch-methodistischen Kirche angehören, Sonderregelungen für den Karfreitag vorsehen, sind unwirksam und künftig unzulässig.”

Nicht gelten soll der “persönliche Feiertag” übrigens für Lehrerinnen und Lehrer, die am Karfreitag (heuer der 19. April) ohnehin Osterferien haben. In den Erläuterungen heißt es dazu, der persönliche Feiertag könne einmal pro Urlaubsjahr gewählt werden und damit seien Lehrer schon per definitionem nicht erfasst, da für sie die Begriffe “Schulferien” und “Schuljahr” gelten.

Arbeitsrechtler: Eingriff in Kollektivvertrag unzulässig

Der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wiener Wirtschaftsuniversität hält den von der Regierung geplanten Eingriff in den Generalkollektivvertrag zum Karfreitag für unzulässig. Marhold verweist im APA-Interview darauf, dass sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei und Deutschland für ähnliche Pläne verurteilt haben.

Marhold gesteht der Regierung zwar zu, dass die Sonderregelungen in den Kollektivverträgen geändert werden müssen. Vorgenommen werden müssten die Änderungen aber von den Kollektivvertragspartnern – also von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer. Der Arbeitsrechtler verweist auf entsprechende Urteile der europäischen Gerichte: So hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg 2009 entschieden, dass der Gesetzgeber nicht in die Kollektivvertragshoheit eingreifen darf und die Türkei verurteilt. Und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat an einem deutschen Beispiel entschieden, dass es dem Gesetzgeber nicht erlaubt ist, per Gesetz eine diskriminierende Bestimmung aus einem Tarifvertrag zu streichen. Hier gebe es “ein klares Primat für die sozialpartnerschaftliche Lösung”, betont Marhold. Erst wenn die Sozialpartner scheitern, sei ein Gesetz zulässig.

“Klarheit und Rechtssicherheit” – wie von der Regierung behauptet – bringt die aktuelle Regelung damit nicht. “Das wird zu Rechtsstreitigkeiten führen”, erwartet Marhold, denn: “Nach meiner Sicht ist durch die gesetzliche Änderung nicht viel gewonnen, weil der Generalkollektivvertrag trotz des Eingreifens des Gesetzgebers unverändert weiter gilt.”

Protestanten könnten Feiertagszuschläge einklagen

Marhold würde protestantischen Arbeitnehmern zwar nicht raten, am Karfreitag gar nicht zur Arbeit zu erscheinen. Das könnte als Pflichtverletzung gewertet werden und zur Entlassung führen. Allerdings könnten sie ihre Feiertagszuschläge einklagen und dazu auf den Generalkollektivvertrag verweisen. Auch ÖGB und Wirtschaftskammer müssten aus Sicht des Arbeitsrechtlers ein Interesse daran haben, gegen den Eingriff in ihre Kollektivvertragshoheit vorzugehen. Und dass ÖVP und FPÖ die gesetzlich vorgesehene Nachwirkung der Kollektivverträge per simpler Erwähnung in den Erläuterungen aushebeln wollen, ist aus seiner Sicht ohnehin nicht möglich.

Sehr wohl bestehen bleiben könnte nach Marholds Einschätzung der jüdischen Feiertag am Versöhnungstag Jom Kippur (heuer der 9. Oktober). Es handelt sich dabei zwar ebenfalls um eine Sonderregelung. Im Gegensatz zum Karfreitag könnte diese laut Marhold aber zulässig sein – und zwar mit Blick darauf, dass der entsprechende Generalkollektivvertrag 1953 unterzeichnet wurde, kurz nach dem Ende des Nationalsozialismus. Dies könne als Akt der Förderung des jüdischen Lebens in Österreich unmittelbar nach der Shoah interpretiert werden, so Marhold. Somit wäre die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, anders als beim Beschwerdeführer, der gegen den Karfreitag geklagt hatte: “Da liegen Welten zwischen einem atheistischen Detektiv und der Shoah.”

Schüller sieht bedenklichen Umgang mit Protestanten

Der Sprecher der katholischen Pfarrerinitiative, Helmut Schüller, sieht in der Diskussion um die Karfreitags-Regelung einen Aspekt zu wenig berücksichtigt: “Was hier weniger diskutiert wird ist der Umgang mit der evangelischen Kirche”, sagte er am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz – vor allem, wenn man sich die Geschichte Österreichs diesbezüglich ansieht.

Für Schüller findet die Debatte um die Karfreitags-Regelung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ohnehin auf einer “unglücklichen Ebene” statt: “Was ich nicht krieg’, sollst du auch nicht haben.” In Bezug auf die evangelischen Kirchen und die Altkatholiken, denen der Karfreitag bisher als Feiertag galt, meinte er, die Mitglieder der Religionsgemeinschaften müssten in Respekt gewürdigt werden.

AK sieht “Tabubruch” und “Kniefall vor der Wirtschaft”

Auch die Arbeiterkammer hat am Mittwoch die Pläne der Regierung zum Karfreitag noch einmal scharf kritisiert. AK-Präsidentin Renate Anderl sprach von einem “Tabubruch” und “Kniefall vor der Wirtschaft”. “Die Regierung gönnt den Evangelischen, Methodisten und Altkatholiken ihren wichtigsten Feiertag nicht mehr”, sagte sie in einer Aussendung. Zudem sei der Vorschlag, einen Urlaubstag nehmen zu dürfen, unausgereift. “Der Vorschlag liegt erst ein paar Stunden vor und wird schon durchgepeitscht, ohne Begutachtung durch ExpertInnen”, so die Kritik der Arbeitnehmer-Vertreterin.

“Die Regierung hat sich von allen Möglichkeiten für die schlechteste entschieden”, so Anderl. “Wir werden weiterhin mit allen Mittel darum kämpfen, dass eine Regelung kommt, bei der den Menschen nicht ein Feiertag von der Regierung genommen wird.”

Die AK listete in ihrer Aussendung eine ganze Reihe von Kritikpunkten auf. So bedeute das Vorgehen einen “Eingriff in die Grundrechte”, in die kollektive Rechtsgestaltung und in die Sozialpartnerschaft. Auch befürchtet die Kammer ein “Abrechnungschaos” durch die Regelung, dass für Arbeit am “persönlichen Urlaubs/Feiertag” “Urlaubsentgelt” und das Entgelt für die geleistete Arbeit zu zahlen ist, obwohl man ja keinen Urlaub verbraucht. Abreitnehmer werden wohl aufpassen müssen, dass ihnen trotz Arbeit nicht doch ein Urlaubstag abgezogen wird, so die Befürchtung.

“Dienstrechtliches Chaos” wird befürchtet

“Dienstrechtliches Chaos” sieht die AK auch auf Länder und Gemeinden zukommen, denn für deren Dienstrechte könne der Bundesgesetzgeber keine Regelungen treffen. Auch hinsichtlich der “Freiwilligkeit” würden – “wie schon beim 12-Stundentags-Gesetz” – nicht “die realen Machtverhältnisse in den Betrieben” berücksichtigt.

Nicht gelöst sieht die AK die Fragen, ob Jobwechsler ein Anrecht auf zwei persönliche Feiertage pro Jahr haben (einen pro Arbeitgeber). Auch stellt die AK die Frage, was passiert, “wenn alle ArbeitnehmerInnen eines Betriebs ihren persönlichen Feiertag für den gleichen Tag geltend machen”. Offen ist für die Kammer auch, welche Regeln für den öffentlichen Dienst gelten.

Gewerkschaft prüft rechtliche Schritte

Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) geht davon aus, dass die von der Bundesregierung ins Auge gefasste Neuregelung zum Karfreitag rechtlich nicht wasserdicht ist. “Beim ersten Darüberschauen gehe ich davon aus, dass diese Regelung nicht halten wird und anfechtbar ist”, sagte der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz am Mittwoch zur APA.

“Wir werden uns genau ansehen, ob das hält” – etwa verfassungs- oder europarechtlich, sagte er. Man werde mit Hilfe von Experten die vorliegenden Pläne nun genau analysieren. Danach werde der ÖGB entscheiden, wann, wie und wo man klagen wird. Achitz betonte auch, dass es sich bei dem Vorhaben nicht nur um einen Eingriff in den General-Kollektivvertrag, sondern in alle Kollektivverträge handle.

Regierung “relativ unverfroren”

Der Arbeitsrechtler Walter Pfeil von der Universität Salzburg hält den von ÖVP und FPÖ geplanten Eingriff in die (General)Kollektivverträge für verfassungswidrig. Außerdem weist er die Behauptung der Regierung zurück, damit nur die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umzusetzen. Die Streichung des Feiertags am Karfreitag sei keine Vorgabe des EuGH, sondern “politischer Wille”. “Den Zwang, den die Regierung suggeriert, gibt es nicht”, betont Pfeil. Denn es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, die Ungleichbehandlung zwischen Protestanten und anderen Arbeitnehmern beim Karfreitag zu beseitigen. “Der EuGH hat gesagt, die Ungleichbehandlung ist nicht zulässig. Aber man kann die Ungleichbehandlung auf verschiedene Weise beseitigen. Es hätten auch alle freibekommen können”, betont Pfeil.

Deshalb hält der Arbeitsrechtler auch den “relativ unverfrorenen” Eingriff in jene Kollektivverträge, die den freien Karfreitag weiterhin vorsehen, für verfassungswidrig. Wie sein Kollege Franz Marhold geht auch Pfeil davon aus, dass die Regierung die Lösung dieses Problems den Sozialpartnern überlassen müsste. Denn den Sozialpartnern die Streichung des Karfreitag als Feiertag vorzuschreiben sei ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit (das Recht, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände zu bilden, Anm.). Pfeil rechnet damit, dass sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof das türkis-blaue Gesetz aufheben müssten, sollten sie damit befasst werden.

Als weiteres Problem sieht Pfeil – im Gegensatz zu Marhold – den weiterhin bestehenden jüdischen Sonder-Feiertag Jom Kippur. “Da haben wir dasselbe Problem wie mit dem Karfreitag für Protestanten und Altkatholiken”, meint der Arbeitsrechtler: “Es könnte schon heute eine Klage eines nicht-jüdischen Arbeitnehmers kommen.”

(APA/Red)

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